July 29, 2023.
(English version below)
Peter Koch. Methodische Grundlagen des kreativen, innovativen Problem-Bearbeitungs-Prozesses. Rohrbacher Manuskripte, Heft 24. Book on Demand 2023. 188 S. ISBN 9783757827656.
Mit der zunehmenden Bedeutung agiler Vorgehensweisen zur Bewältigung komplexer Problemstellungen haben in den letzten Jahren adaptive und iterative Entwicklungsmodelle auch für die Planung, Erstellung oder Veränderung sozio-technischer Systeme an Bedeutung gewonnen.
Systematische Innovationsmethodiken wie etwa TRIZ mit ihrem gezielten Wechselspiel von Abstraktem und Konkretem kommen dabei oft nur zur Lösung konkreter, besonders hartnäckiger Teilprobleme zum Einsatz, die sich genauer kontextualisieren lassen, um diesen Prozess des Wechsels vom Konkreten zum Abstrakten und wieder zurück zum Konkreten methodisch fassen zu können. TRIZ als widerspruchsorientierte Innovationsmethodik zeichnet sich dabei durch eine Reihe methodischer Werkzeuge aus, die bei der Suche nach systemischen Widersprüchen, der Herausarbeitung der Bewegungsformen dieser Widersprüche sowie schließlich der Auflösung solcher Widersprüche unterstützen.
Auch wenn in Zeiten schnell wechselnder Rahmenbedingungen klassische Methoden im Problem-Bearbeitungs-Prozess an Bedeutung zu verlieren scheinen, kann es hilfreich sein, sich dieser klassischen Methodiken neu zu versichern. Handelt es sich doch hierbei um den systematisierten Erfahrungsschatz aus über 100 Jahren ingenieur-technischer Tätigkeit, der im Wechselspiel von Praxis, Theorie und Aufbereitung für die Lehre geformt wurde.
Ein wichtiges Erbe ist auf diesem Gebiet die von Johannes Müller und seinen Mitstreitern seit Mitte der 1960er Jahre entwickelte Systematische Heuristik. Nach einem kurzen institutionellen Boom Anfang der 1970er Jahre hatte die dort entwickelte Methodik Einfluss auf die Ausbildung mehrerer Generationen des ingenieur-technischen Nachwuchses und gab auch der TRIZ-Rezeption etwa in den Erfinderschulen der DDR eine eigene Prägung.
Wesentliche Fortschritte zur Innovationsmethodik und zur Methodik für die Kreativitätsförderung in Forschung und Entwicklung wurden in den 1980er Jahren durch die internationalen ctc-Kreativitätstrainingsseminare bei der Bauakademie der DDR und den dazu entstandenen umfangreichen Lehrbriefen und Schriften erreicht, da mittels realer erfinderischer Problemstellungen aus der Praxis die methodisch-systematische Denk- und Arbeitsweise erprobt und weiterentwickelt werden konnte.
Peter Koch hatte es bereits im Heft 23 der Rohrbacher Manuskripte 50 Jahre Systematische Heuristik übernommen, “Zielsetzung, Gegenstand, Grundlagen und Inhalt der Systematischen Heuristik” zusammefassend darzustellen. Mit Heft 24 der Rohrbacher Manuskripte hat Peter Koch nun eine zweite Fassung dieser “methodischen Grundlagen” vorgelegt, die sich stärker an der Systematisierung der eigenen Erfahrungen des Autors als Praktiker und Hochschullehrer orientieren.
Koch regt an, größere Anstrengungen in Richtung der Etablierung von Prozessmodellen des Problem-Bearbeitungs-Prozesses für verschiedene methodische Zwecke zu unternehmen, die sich in den Parametern Allgemeingültigkeit, Detailliertheit und Abstraktion unterscheiden.
Koch unterscheidet drei Modell-Typen. Modell-Typ 1 ordnet den Problem-Bearbeitungs-Prozess in den allgemeinen Innovationsprozess ein und liefert den Rahmen für die Modell-Typen 2 und 3.
Der Modell-Typ 1 wird durch drei Prozess-Stufen
detailliert und durch methodische Merkmale sowie methodisch relevante Übergänge charakterisiert. Koch betont die Erfahrung, dass ungenügender Aufwand in diesen ersten beiden Prozess-Stufen oft zu “vergifteten” Aufgabenstellungen führt, nach der man nicht “das Problem falsch” sondern “das falsche Problem” löst. Eine solche Heraushebung der Ermittlung und Präzisierung der Problemstellung wird auch von anderen Autoren vorgeschlagen und spielt bei der Erstellung einer Innovations-Checkliste in der TRIZ eine wichtige Rolle. Kochs Ausführungen zu diesem Teil sind allerdings deutlich strukturierter.
Kochs Ansatz für die Bearbeitung komplexer Problemstellungen geht davon aus, dass in diesem Prozess eine größere Zahl von Aufgaben und Teilaufgaben auf verschiedenen Hierarchieebenen entstehen, an die methodisch auf ähnliche Weise herangegangen werden kann. Kochs Modell-Typ 2 bietet für den Problemlöseprozess 8 invariante Arbeitsschritte mit entsprechend charakterisierten Zwischenergebnissen, wobei sich drei Arbeitsschritte auf die Vorbereitung, ein Arbeitsschritt auf die Durchführung und vier Arbeitsschritte auf die Nachbereitung der Problemlösung der entsprechenden Teilaufgabe beziehen.
Den größten Raum nimmt in den Ausführungen ein allgemeines Prozessmodell des Modell-Typs 3 ein für komplexe Problemstellungen in der “bedeutenden Aufgabenklasse Entwicklung neuartiger, innovativer antizipierter oder real zweck- und funktionserfüllender technischer Systeme und Prozesse”. Die Prozess-Stufe 3 “Problemlösungsprozess” wird dabei durch vier Prozess-Phasen (Orientierung, Findung, Gestaltung, Verifikation) und 7 Entwicklungsstufen strukturiert, in denen die Lösung von der Funktionsbeschreibung über die Suche nach geeigneten Verfahrens-, Funktions- und Gebildeprinzipien schließlich technisch entworfen, gestaltet und detailliert wird.
Koch betont, dass die Linearität der Darstellung des Prozessmodells in den Ausführungen den fallspezifischen Prozessablauf für konkrete Problemsituationen nur bedingt abbildet, und dass Modelle zu den Prozessabläufen und zur schöpferischen Vorgehensweise in der praktischen, fallspezifischen Anwendung erst dann wirksame methodische Mittel sind, wenn der Nutzer die methodischen und systemwissenschaftlichen Grundsätze und Wesensmerkmale des Problem-Bearbeitungs-Prozessen kennt und sie mit den Modellen verknüpft zur Gestaltung seiner Vorgehens- und Arbeitsweise schöpferisch anwendet. Das ist notwendig, da der Prozess geprägt wird durch verschiedene Ausgangssituationen und Aufgabenarten, die verschiedenen grundsätzlichen Lösungswege, die Anwendbarkeit verschiedener heuristischer Methoden, durch das Unter- und Nebeneinander verschiedener Hierarchieebenen nach dem Prinzip Zerlegung – Konkretisierung – Komposition sowie durch Variantenbildung und -einschränkung. Auch sind Vorgriffe, Auslassungen, Sprünge, Schleifen oder paralleles Arbeiten in konkreten Anwendungen möglich. Koch weist darauf hin, dass die Aneignung für diese schöpferische Verknüpfung von Modellen, Grundsätzen und Wesensmerkmalen am besten beim Training zur Bearbeitung praxisgerechter Problemstellungen gelingt.
Abschließend betont Peter Koch: “Mögen diese Bemühungen dazu beitragen, jüngere Fachkollegen mit diesem Heft 24 und mit den darüber hinaus vorhandenen sehr umfangreichen und guten Ergebnissen und vielfältigen Quellen zum Thema anregen, den notwendigen Arbeitsschritt für die Entwicklung einer allgemeinen, tragfähigen, gut lehr- und erlernbaren schöpferischen Innovationsmethodik einzuleiten”.
Peter Koch. Methodological foundations of the creative, innovative problem-solving process (in German). Rohrbacher Manuskripte, Heft 24. Book on Demand 2023. 188 S. ISBN 9783757827656.
With the increasing importance of agile procedures for dealing with complex problems, adaptive and iterative development models have become more important in recent years for planning, creation or modification of socio-technical systems.
Systematic innovation methodologies such as TRIZ, with their targeted interplay of the abstract and the concrete are often only used to solve specific, particularly intractable sub-problems, which can be contextualised more precisely in order to facilitate the process of changing from the concrete to the abstract and back again. TRIZ as a contradiction-oriented innovation methodology proposes a number of tools that can be used to search for systemic contradictions, to elaborate their forms of movement of and finally support their resolution.
In recent times of rapidly changing external conditions classical methods seem to be losing importance in the problem-solving process. Nevertheless it can be helpful not to ignore these classical methodologies. After all, they are the systematised wealth of experience from over 100 years of engineering activity, and was formed in the interplay of practice, theory and preparation for teaching.
An important legacy in this field is the Systematic Heuristics developed by Johannes Müller and his followers since the mid-1960s. After a brief institutional boom at the beginning of the 1970s, this methodology had influenced the training of several generations of young engineers and also gave its own impact to the TRIZ reception, for example in the GDR Inventor Schools.
Significant advances in innovation methodology and the methodology for promoting creativity in research and development were made in the 1980s through the international ctc creativity training seminars at the the GDR’s Bauakademie (Building Academy) and the comprehensive teaching and writings produced for this purpose, as real inventive problems from practice were used to the methodical and systematic way of thinking and working could be tested and further developed.
In issue 23 of the Rohrbacher Manuskripte 50 Years of Systematic Heuristics (in German), Peter Koch had already taken on the task of summarising the “objectives, subject matter, foundations and content of systematic heuristics”. With issue 24 of the Rohrbacher Manuskripte, Peter Koch has now presented a second version of this “methodological basis”, which is more strongly oriented towards the systematisation of the author’s own experiences as a practitioner and university teacher.
Koch suggests that greater efforts be made in the direction of establishing process models of problem-solving processes for different methodological purposes, which differ in the parameters of generality, detail and abstraction.
Koch distinguishes three model types. Model type 1 describes the place of the problem-solving process in the general innovation process and provides the framework for model types 2 and 3.
The Model Type 1 is detailed by three process stages
and characterised by methodological features as well as methodologically relevant transitions. Koch emphasises the experience that insufficient effort in these first two process stages often leads to “poisoned” tasks, such that one does not solve “the problem wrongly” but “the wrong problem”. Such an emphasis on identification and specification of the problem is also suggested by other authors and plays an important role in the creation of an Innovation Checklist in TRIZ. Koch’s explanations of this part, however, are much more structured.
Koch’s approach to working on complex problems assumes that in this process a larger number of tasks and subtasks arise at different hierarchical levels, which can be approached methodically in a similar way. Koch’s Model Type 2 offers 8 invariant steps for the problem-solving process with correspondingly characterised intermediate results.
The largest space in the explanations is taken up by a general process model of Model Type 3 for complex problems in the “important problem class development of novel, innovative anticipated or real purpose- and function-fulfilling technical systems and processes. The process level 3 “problem-solving process” is structured by four “process phases” (orientation, finding, designing, verification) and 7 development stages, in which - starting from the functional description via the search for suitable processual, functional and structural principles the solution is technically designed, shaped and detailed.
Koch emphasises that the linearity of the representation of the process model in the explanations only depicts the case-specific process flow for concrete problem situations to a limited extent. Models for the process flows and for creative actions in the practical, case-specific application are only effective methodological means when the user is familiar with the methodological and system-scientific principles and essential features of the problem-solving process and applies them creatively linked with the models to design his actions and working methods. This is necessary because the process is characterised by different initial situations and types of tasks, different basic approaches, the applicability of different heuristic methods, by switching between different hierarchical levels according to the principle of decomposition – concretisation – composition as well as through the formation and restriction of variants. Also looking ahead, omissions, jumps, loops or parallel work are possible in concrete applications. Koch points out that appropriation for this creative linking of models, principles and characteristics is best achieved in training on practical problems.
In conclusion, Peter Koch emphasises: “May these efforts contribute to stimulating younger colleagues with this booklet and with the very extensive and good results and diverse sources on the subject that are available beyond it, to initiate the necessary steps for the development of a general, sustainable creative innovation methodology that can be easily taught and learned”.